Sechs Jahre lang konnte die Moderatorin Andrea Ballschuh nicht mehr abschalten. Selbst in den Ferien fühlte sich unter Druck, in den sozialen Medien präsent zu bleiben. Erst eine Panikattacke führte zur Wende. Ihr Plädoyer: "Bitte reagiere rechtzeitig, bevor es knallt!"
Ich konnte in den letzten 6 Jahren nie abschalten im Urlaub.
Als ich noch ausschliesslich als TV-Moderatorin gearbeitet habe, waren Urlaube wirklich erholsam. Wenn keine Sendung anstand, konnte ich komplett entspannen.
2019 entschied ich mich, ein zweites Standbein als Videocoach aufzubauen. Damals dachte ich: Selbständig-Sein ist das Tollste überhaupt. Frei machen, wann ich will. Mehr Geld verdienen.
Selbständigkeit unterschätzt!
Ich hätte mal vorher einen Kurs besuchen sollen: "Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe". Ich hatte die Anforderungen komplett unterschätzt. Plötzlich war ich nicht nur Videocoach – was schon genug gewesen wäre – sondern auch Marketing, Sales, Buchhaltung und Kundensupport in einer Person. Ich weiss, so geht es vielen Selbstständigen. Man kann lernen, das gut zu koordinieren. Vielleicht wird’s irgendwann entspannter.
Ich bin schnell gewachsen und hatte eine wunderbare Business Managerin. Aber selbst mit Unterstützung konnte ich im Urlaub nicht mehr abschalten. Ich hatte das Gefühl, ständig präsent sein zu müssen: auf Social Media, im Kopf meiner Zielgruppe, im Algorithmus. Denn sonst: weniger Sichtbarkeit, weniger Umsatz. Und gleichzeitig liefen die Kosten weiter.
Parallel verlor ich mehrere TV-Sendungen, weil sie einfach gestrichen wurden. Und nach jedem Launch kam sofort der Druck: Wie geht’s weiter? Was poste ich als nächstes? Ich habe mich selbst sehr unter Druck gesetzt. Nicht um erfolgreicher zu werden, sondern um es zu bleiben.
Endlich wieder Urlaub
Die Folge: Ich war im Urlaub nie wirklich erholt.
Ende letzten Jahres bekam ich auf der Autobahn eine Panikattacke. Ich zog die Reissleine: Studio aufgelöst. Programme auslaufen lassen. Und dann der Schritt zur 60-Prozent-Festanstellung als Videocoach.
Das war das Beste, was mir passieren konnte.
Ich mache weiterhin das, was ich liebe: Menschen vor der Kamera stark machen, aber mit Fokus, ohne Dauer-Druck. Und ich konnte zum ersten Mal seit Jahren wirklich Urlaub machen. Drei Wochen Kroatien mit Kind und Camper. Abschalten. Auftanken.
Leicht fiel mir das nicht.
Faulsein ist himmlisch
Die ersten 7 Tage war ich träge, hatte ein schlechtes Gewissen, dachte: "Ich muss doch was tun." Aber ich wurde bestärkt: Faulsein ist erlaubt. Ich habe es angenommen. Und nach 1,5 Wochen war ich wie neugeboren. Die Tage danach konnte ich den Urlaub dann so richtig geniessen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich je so erholt war.
Heute weiß ich: Nicht das Loslassen ist gefährlich, sondern das Festhalten an einem Tempo, das nicht mehr zu uns passt.
Wie schaffst Du es es, als Selbstständige/r im Urlaub wirklich abzuschalten?
Andrea Ballschuh ist TV-Moderatorin und Videobotschafterin.