Skip to content

Flüchtlingsberatung: Kindersegnung im Sitzungszimmer

"Wir möchten, dass Sie das Kind segnen", sagte das junge iranische Paar zu mir, während das Baby eingewickelt auf dem Bürotisch im Sitzungszimmer lag. Und plötzlich hatten die irdischen Formalitäten nur noch zweite Priorität.

Ich arbeite im Asylwesen. In dieser Arbeit bin ich verantwortlich für die "Fallführung" für Menschen, die aus ihren Ländern geflüchtet sind. Die Fallführung beinhaltet die Koordination des Lebens,- Alltags,- und Integrationsprozesses dieser Personen in der Schweiz.

 

Woher kommen die Menschen, die ich betreue? Aus Ländern wie Syrien, Irak, Iran, Afghanistan, Somalia, Eritrea, Äthiopien, Ukraine und anderen. Ich möchte diesen Menschen mit einer dienenden Haltung begegnen. Als Christ begegne ich diesen Menschen auf Augenhöhe. Ich mache keinen Unterschied zwischen "Flüchtlingen" und "Westlern". Flüchtlinge sind in Gottes Augen gleich wertvoll wie du und ich, selbst wenn es kulturelle und weltanschauliche Unterschiede gibt. Sie haben den gleichen Stand vor Gott wie ich.

 

Taten statt Worte

In meiner täglichen Arbeit ist es mir wichtig, meine Haltung vorzuleben. Ich möchte authentisch sein, den Menschen den Respekt entgegenbringen, den sie verdienen. Ich lebe meine Beziehung zu Gott – auch ihnen gegenüber. Ich möchte Vertrauen schaffen. Etwas, das sie in ihren Ländern leider oft nicht oder zu wenig erfahren haben.

 

Mein Wunsch: An meinem Verhalten, der Art wie ich ihnen begegne, mit ihnen rede, sollen Flüchtlinge Vertrauen fassen und sehen, dass ich ehrlich und authentisch bin. Es ist mir wichtig, dass sie sehen und erleben, dass ich ihre Anliegen ernst nehme und sie ehrlich bearbeite, selbst wenn dies nicht immer zu den erhofften Lösungen führt.

 

Ich versuche aber nicht, sie mit Worten vom Christentum zu überzeugen. Ich möchte, dass sie es in meinem Leben sehen und beobachten können.

 

Ein sympathisches Paar aus dem Iran

Einmal betreute ich ein junges Paar aus dem Iran. Zwei sehr angenehme und gut gebildete Menschen. Bei unseren verschiedenen Treffen baute sich Vertrauen auf. Sie wussten, dass ich Christ bin. Das wurde im Gespräch deutlich. Ich nahm ihre Anliegen auf, bearbeitete sie, durfte ihnen dienen und für sie Lösungen finden.

 

Dieses junge iranische Paar hatte schon eine kleine Tochter. Die Frau wurde wieder schwanger. Das Paar bekam ein gesundes Baby, ein zweites Mädchen. In einem solchen Fall gilt es, einige Formalitäten abzuwickeln. Ich vereinbarte mit ihnen einen Termin in unserem Büro und organisierte ein Sitzungszimmer. Ein klassisches Sitzungszimmer mit einem etwas längeren Tisch.

 

Segen im Strampelanzug

Das junge Paar kam mit dem Baby. Es stellte das Baby in dem Tragekorb auf den länglichen Tisch. Sie nahmen es sogar noch aus dem Korb und legten es im "Strampelanzug" auf den Tisch. Noch bevor wir das Gespräch beginnen konnten, sagte das Paar zu mir: "Herr Schulz, wir möchten, dass Sie für das Kind beten. Sie haben viel für uns getan, wir möchten, dass Sie das Kind fürs Leben segnen, dass Sie dem Kind Segen mitgeben."

 

Es war ein besonderer Moment. Schwer in Worte zu fassen. Ein wunderschöner Augenblick. Alle waren ergriffen, gerührt, das junge iranische Paar genauso wie ich. So legte ich meine Hand auf dieses Baby und segnete es im Gebet. Ich durfte Worte in das Leben dieses Mädchen hineinsprechen.

 

Weil ich versucht habe, den Menschen so wie Jesus zu begegnen, ist diese Geschichte entstanden. Eine Geschichte, die mich tief berührt hat. Und dich hoffentlich auch?

 

Raiko Schulz ist verantwortlich für die Fallführung für Klienten im Asylwesen.